Samstag, 26. Dezember 2009


DER KOMPONIST AUGUST BUNGERT


Südlich von Bonn liegt auf der rechten Rheinseite nur wenige Kilometer von Neuwied entfernt der idyllische Ort Leutesdorf. Am Ende einer von Bäumen gesäumten Allee, die nah am Rhein verläuft, steht ein prachtvolles Wohnhaus, das in seinem Erscheinungsbild aus Gründerzeitarchitektur gemischt mit Bauelementen der griechischen Antike an diesem Ort überrascht.

Erste Erfolge

Das so genannte „ionische Haus“ war eine Schenkung von Carmen Sylva, Königin von Rumänien. Sie war seit 1883 mit dem Komponisten August Bungert bekannt und pflegte mit ihm eine langjährige Freundschaft, die durch die Vertonung ihrer Gedichte geadelt wurde. Von August Bungert und seinem Schaffen, das mehr als 65 Opusnummern umfasst, darunter sechs Opern, einige Tongemälde und mehr als 200 Lieder und Männerchöre, ist nichts im Repertoire geblieben und bereits zu seinen Lebzeiten wurden seine Werke kaum aufgeführt. 1845 wurde Bungert in Mülheim an der Ruhr geboren. Er begann 1862 ein Studium der Komposition und eine Ausbildung zum Pianisten zunächst in Köln; 1864 wechselte er nach Paris. Nach vier Jahren in Frankreich folgte nach mehrmonatigen Aufenthalten in Königswinter und Düsseldorf, wo er als Klavierlehrer sein Geld verdiente, ab 1869 eine langjährige Verpflichtung als Musikdirektor in Bad Kreuznach. 1873 zog Bungert nach Berlin, um bei dem damals bekannten Pädagogen Friedrich Kiel weiteren Unterricht zu nehmen. Er komponierte Lieder sowie kleine Klavierstücke und errang mit seinem Opus 18, ein Klavierquartett in Es-Dur, 1877 einen Preis. Ausgelobt hatte ihn ein Streichquartett, das sich Florentiner Quartett Verein nannte. In der Jury saßen die Komponisten Johannes Brahms und Robert Volkmann. 1884 wurde dann in Leipzig Bungerts Oper „Aurora“ ohne große Resonanz uraufgeführt.

Rauschgieraugen! Tigertatzen!

1880 begann August Bungert mit der Konzeption des mehrteiligen Opernzyklus „Homerische Welt“ als Versuch, den Kosmos der griechischen Mythologie und Sage aus „Ilias“ und „Odyssee“ auf die Bühne zu bringen. Die Vertonung der „Odyssee“ umfasste schließlich vier Opern, dagegen blieb das auf sechs Abende angelegte Schwesterwerk „Die Ilias“ nur Konzept. Während der Arbeit an seiner „Homerischen Welt“, für die Bungert auch das Textbuch schrieb und damit als Komponist und Dichter eines mehrteiligen Opernzyklus seinem großen Vorbild Richard Wagner in Wort und Musik nachzueifern versuchte, schrieb er das dramatische Festspiel „Hutten und Sickingen“, uraufgeführt am 15. Februar 1889 in Bonn. Die Dresdner Hofoper zeigte sich bereit, den vierteiligen Opernzyklus „Die Odyssee“ uraufzuführen. 1896 gab es „Odysseus Heimkehr“, 1898 „Kirke“, es folgte 1901 „Nausikaa“ und den Uraufführungsreigen schloss 1903 „Odysseus Tod“ ab. Die Hamburger Oper spielte die drei ersten Opern in den darauf folgenden Jahren nach. In Berlin kam es 1899 dagegen nur zu einer Inszenierung von „Odysseus Heimkehr“.

Mythologisches Varieté

Wegen der mangelnden kompositorischen Qualität kam es dort und an anderen Bühnen zu keinen weiteren Einstudierungen. Noch einmal versuchte sich die Kölner Oper 1903 an „Odysseus Heimkehr“ und markierte damit den Schlusspunkt der szenischen Aufführungsgeschichte von Bungerts Tetralogie, die er pathetisch das „Riesenwerk meines Lebens“ nannte, während ein Kritiker die Opern als „mythologisches Varieté“ bezeichnete. Bungerts mangelnde Begabung, wirkungsvolle Gesangstexte zu schreiben wird an einem Zitat aus „Odysseus Heimkehr“ deutlich: „Eine Sphinx hier! Hohe Brüste, Rauschgieraugen! Tigertatzen! Trinkst du dieser Brüste Lüste, werden dich die Tatzen kratzen.“

Aufgedonnerte Musik

Über die Musik schrieb Henry Chevalier 1898 im Hamburger Abendblatt: „Es ist wirklich ein Missbrauch Homerischer Ideen, der hier getrieben wird. Dazu eine schwülstige, halb sentimentale, halb hohl pathetische, in sich stillose und dem Geiste des Originals direkt entgegenarbeitende Musik, die Nesslersche Gefühle und Gefühlchen in einen aufgedonnerten Mantel steckt. Ein Riesenapparat ist dauernd in Bewegung und als Resultat eine bleierne Monotonie. Was die Leute da in langen Reimen und Liedern singen, ist so entsetzlich gleichgültig; sie könnten Kochbuchrezepte singen mit demselben Eindruck. Es ist auch nicht ein neuer Klang, nicht eine neue melodische Linie in dieser Musik; lauter alte Formeln in Harmonie und Melodik sind es, die das ganze Werk beherrschen.“ Es gab auf der anderen Seite aber auch glühende Bungert-Verehrer wie die Wagnersängerin Lilli Lehmann, Bayreuther Brünnhilde des Jahres 1896, die seine Lieder schätzte, und vor allem der Musikwissenschaftler Max Chop, der 1911 einen Bungert-Bund gründete, deren Mitglieder sich für die Verbreitung seiner Werke einsetzen wollten.

Ein Festspielhaus in Bad Godesberg

Da Bungert für seine „Homerische Welt“ nichts als Ablehnung erfuhr, verfiel er auf eine grandiose Idee. Ein Festspielhaus musste her, das getreu dem Bayreuther Vorbild seine Werke als Musteraufführungen für andere Bühnen erarbeiten sollte. Seine Wahl fiel auf den aufstrebenden Kurort Godesberg. 1897 schrieb Bungert einen flammenden Brief an den damaligen Oberbürgermeister Anton Dengler. Darin schlug Bungert vor, am Rhein „ein Festspielhaus ersten Ranges“ zu bauen. Das Theater sollte durch einen Eigenanteil von Seiten Bungerts und durch Spenden finanziert werden. Veranschlagt waren Kosten von einer Millionen Mark. Godesberg sollte lediglich den Bauplatz kostenlos zur Verfügung stellen. In diesem Theater, erbaut im Innern nach Art des Festspielhauses in Bayreuth, sollten dann in den Sommermonaten sowohl Bungerts Werke, als auch die Opern der „besten Meister“ in möglichst idealer Weise zur Aufführung kommen. Der Komponist beendete seinen Brief an Dengler mit den Worten: „Die Erfüllung dieses Gedankens wäre eine künstlerische Tat, ein Kulturwerk, um das uns alle Nationen beneiden würden und das von der ganzen Welt als ein unsterbliches anerkannt werden müsste!“ Zunächst zeigte sich die Godesberger Stadtspitze den Plänen Bungerts geneigt und man fasste sogar ein am Rhein gelegenes Grundstück am Wacholder ins Auge , aber trotz aller Bemühungen verlief das Projekt schließlich im Nichts. Der Stadtrat hatte letztendlich nach den wenig erfolgreichen Aufführungen der Opern Bungerts an seiner Anziehungskraft auf ein zahlungswilliges Publikum berechtigte Zweifel. Da nützte es wenig, dass Bungert bereits 1895 unter dem Titel „Hurrah Franconia“ ein Weihelied zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Bonner Burschenschaft Franconia komponierte. Dennoch blieb Bungert mit Godesberg in Verbindung. Das zeigt ein Programm am 20. März 1909 zur Einweihung eines Arndt-Museums in Friesdorf, zu dem Bungert ein nicht erhaltenes Arndt-Weihelied beisteuerte.

Wollen statt Können

Über Werk und Wirken von August Bungert ist die Zeit hinweggegangen. Bereits 1903 schrieb Wilhelm Kleefeld in Bühne und Welt über den Komponisten: „Schade, dass bei ihm das Können nicht im rechten Verhältnis zum Wollen steht. Bungert ist ein ansprechendes Talent für Liedmalerei, für feinen Nippes und Tonmosaiken; die Kraft des Bahnbrechers, der er sein möchte, geht ihm ab. Hätte sich der rheinische Sänger von Liebe und Wein, der namentlich durch geschickte Vertonung zahlreicher Carmen Sylva-Lieder sich einen klangvollen Namen erworben hat, auf dieses sein ureigenstes Gebiet beschränkt, er hätte darin wirklich Hohes erreichen können. In seinen Opern bleibt seine Kunst am Äußerlichen haften und kann den Hörer nicht packen und ergreifen.“

Versungen und vertan!

1911 zog August Bungert in seine Leutesdorfer Villa. Er schrieb den Gedichtband „Blut“, komponierte weitere Lieder und Männerchöre und versuchte mit dem sinfonischen Tongemälde „Zeppelins erste große Fahrt“ vergeblich im Konzertsaal erfolgreich zu sein. Auch sein Mysterium in drei Teilen „Warum? Woher? Wohin?“, uraufgeführt in Neuwied 1909, fand keinen Anklang. August Bungert starb 1915 und wurde auf dem Friedhof von Feldkirchen bei Leutesdorf bestattet. Der Bungert-Bund stellte bereits wenige Monate später seine Arbeit ein, als wollte er damit eine weitere Einschätzung von Kleefeld bestätigen, der meinte: „Das große Gesamtwerk lässt uns kühl und teilnahmslos zurück, ringt uns ein schmerzliches Empfinden ab über die gute, edle, aber die eigene Kraft überschätzende Absicht, über die Selbstverkennung, die nichts als einen schwachen Reflex der Bayreuther Vollkommenheit produzierte. Da war die Rettung aussichtslos.“

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August Bungert – Wanderung am Rhein

Wenn der Sommer sich naht, da geht es zu Hauf

An das Meer, in die Schweiz, in’s Gebirge hinauf.

In den Schwarzwald treibt es die einen hin,

Nach dem Brocken im Harz steht der Andern Sinn!

Die Übrigen sind dem Wasser gewogen,

An das graue Meer gen Norden gezogen.

Drum fahrt nur, töfft und töfft, und wandert in die Schweiz,

Für mich hat das Rheinland viel höheren Reiz.


Oh! Wie mundet die Pfirsichbowle am Rhein,

Mit dem Liebchen im Arm im Mondenschein!

Und der Rhein strömt dahin so kraftbewusst,

Drauf fahren die Schiffe voll Sangeslust!

Und die Menschen, so lebensfroh und gesund,

Und der Händedruck warm, wie der Kuss auf den Mund.

Und die Eifel, die Maare, der Laacher See,

Die erloschnen Vulkane auf steiler Höh‘.

Die Wied, die Sieg und endlich die Ruhr,

Wie soll ich es singen und sagen nur,

Wie wunderschön ihre Täler sind,

Wie gesund die Männer und Weiber und Kind‘!


Und über alles: das Märchenland

Die Sieben Berge! Der schönste Strand,

Den je ein Menschenauge gesehn

Mit Märchen, Burgen und Kirchlein schön!

Und Godesberg und Rolandseck -

Und überall Frohsinn und lieblich Geneck!


Drum - wenn der Sommer sich naht,

Wo lebt‘s sich so fein,

So schönheitumgeben als wie am Rhein!

So fahrt und töfft - und töfft, wohin ihr wollt,

Ich wand’re am Rhein und trinke sein Gold!