Die Künstlerin gehörte zu den früh verloschenen Sternen der Operettengeschichte. 1930 trat sie in Berlin in Viktoria und ihr Husar auf. Drei Jahre später kam die Sängerin mit nur 26 Jahren auf tragische Weise ums Leben.
Strahlend blaue Augen
Geboren wurde Anny Ahlers 1907 in Hamburg. Als Kind bekam sie Ballettunterricht und trat als Kindertänzerin an der Berliner Hofoper auf. 1924 begann sie im Alter von 17 Jahren in Hamburg eine Gesangsausbildung. Über den Anfang ihrer Bühnenkarriere ist wenig bekannt. Mit 18 Jahren soll sie als Venus in einer Hamburger Aufführung der Operette Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach aufgetreten sein. Chronisten verzeichnen 1925 ein Gastspiel in Krefeld als Kálmáns Gräfin Mariza und 1926 als Amy in der Breslauer Uraufführung der Operette Lady Hamilton von Eduard Künneke. Es schloss sich ein Engagement in Wien an, wo Anny Ahlers die Titelpartie in Leo Falls Operette Madame Pompadour übernahm. Die rothaarige Sängerin mit den strahlend blauen Augen, über die ein Londoner Kritiker schrieb, sie hätte „das Gesicht einer tragischen Muse“, wurde von Erik Charell 1928 ans Große Schauspielhaus nach Berlin verpflichtet. In der Revue-Operette Casanova, für deren Musik Ralph Benatzky Kompositionen von Johann Strauß bearbeitete, trat Anny Ahlers als singende Tänzerin Barberina auf.
Eine bezaubernde Faschingsfee
Nach den erfolgreichen Aufführungen war Anny Ahlers eine der gefragtesten Operettensängerinnen der Jahre um 1930. Zu ihren weiteren Engagements gehörte die Odette in Die Bajadere von Emmerich Kálmán in Wien. Am Berliner Metropol-Theater übernahm Anny Ahlers die Viktoria in Viktoria und ihr Husar und 1931 Prinzessin Laya in der Erstaufführung der Blume von Hawaii. Die Sängerin gehörte am Metropol-Theater auch zum Ensemble der Uraufführung der Operette Das Lied der Liebe, eine Bearbeitung der Johann-Strauß-Operette Das Spitzentuch der Königin von Erich Wolfgang Korngold. Ihr Partner war der legendäre Tenorstar Richard Tauber. 1931 drehte Anny Ahlers ihren ersten Film Die Marquise von Pompadour, dem vier weitere folgten, darunter eine Leinwandadaption der Kálmán-Operette Die Faschingsfee. Die Kritik schrieb über ihre Darstellung der Pompadour: „Die schlank-rassige Anny Ahlers legt eine bemerkenswerte nervös-hysterische Filmstar-Persiflage hin. Immer stärker entpuppt sich diese Operettensängerin auch als Filmkünstlerin von Gnaden, als eine Diva, die sich in ihrer Übergeschnapptheit glänzend in die turbulente Handlung einfügt.“
A glorious voice
Als in London die Erstaufführung der Operette Die Dubarry von Theo Mackeben vorbereitet wurde, eine Bearbeitung der 1879 in Wien uraufgeführten Operette Gräfin Dubarry von Karl Millöcker, wollte die Theaterleitung die Titelpartie mit der Sopranistin Gitta Alpár besetzen, die in der Berliner Uraufführungsserie die Dubarry sang. Weil Gitta Alpár aber nicht aus ihrem Vertrag herauskam, wurde Anny Ahlers für die Londoner Aufführungen engagiert. Es war der Höhepunkt der nur wenige Jahre umfassenden Karriere von Anny Ahlers. Die Künstlerin lernte Dialoge und Gesangstexte in englischer Sprache, und Kritiker und Publikum waren von ihrem Spiel und ihrem Gesang bei der Londoner Premiere am 14. April 1932 begeistert. Die Zeitung „The Observer“ schrieb: „Sie ist eine große Überraschung, mit einer gloriosen Stimme, flammenden roten Haaren und einem deutlichen, aber angenehmen Akzent.“ Zu den wenigen Schallplattenaufnahmen, die Anny Ahlers hinterlassen hat, gehören englisch gesungene Lieder aus den Londoner Aufführungen der Dubarry.
Die große Liebe
Im Londoner Frühling des Jahres 1932 besuchte Sir Merrik Burrell mit seiner 23-jährigen Tochter Ethdreda Burrell, die Dedra genannt wurde, eine Aufführung der Operette Die Dubarry. Sir Merrik Burrell, der soeben von seiner Frau geschieden worden war, verliebte sich vom ersten Augenblick an in Anny Ahlers. Ob Sir Merrik ihr einen Strauß rote Rosen in die Garderobe schickte und ob er sie zum Essen einlud, wissen wir nicht. Fest steht jedoch, dass Sir Merrik den damals berühmtesten Portraitmaler seiner Zeit beauftragte, ein Gemälde von Anny Ahlers zu erstellen. Der in Ungarn geborene Maler Philip Alexius de László lebte seit 1907 in London und galt als gefragter Portraitist der gehobenen europäischen Gesellschaftsschichten. Im Jahr 1908 malte er die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria, 1910 folgte ein Portrait von Kaiser Wilhelm. Für das Bildnis von Anny Ahlers entschied sich de László für ein großformatiges Gemälde (172 x 116 cm), wie es von anderen Künstlerinnen in Londoner Theaterfoyers hing. Anny Ahlers sollte während der Aufführungsserie der Dubarry regelmäßig zu Sitzungen im Atelier von de László erscheinen.
Ein früher Tod
Wiederholt hielt sie verabredete Termine beim Maler nicht ein. Anny Ahlers fühlte sich krank, denn um ihre Gesundheit stand es nicht zum Besten. Sie litt an Tuberkulose. Um die Schmerzen zu bekämpfen und weiterhin auf der Bühne stehen zu können, nahm die Sängerin regelmäßig Morphium, von dem sie abhängig wurde. Freunde berichteten zudem, dass sie schlafwandelte – und so fand ihr Leben ein trauriges Ende. In den Morgenstunden des
Sir Merrik Burrell trauerte um sie und wollte seine Geliebte in der Kirche von Shipley/Sussex in der Nähe seines Landsitzes beerdigen lassen. Als die Mutter von Anny Ahlers nach London reiste, um an der Trauerzeremonie in einem Krematorium teilzunehmen, bestand sie hingegen auf der Überführung der Asche nach Hamburg. Damit war Sir Merrik nicht einverstanden. Doch Mutter und Geliebter fanden eine diplomatische Lösung. Die Asche wurde in zwei Urnen aufgeteilt. Auf dem Hamburger Friedhof in Ohlsdorf erinnert heute eine steinerne Stele mit Namen und Lebensdaten von Anny Ahlers an die Sängerin. In Shipley, wo Anny Ahlers ihre zweite Ruhestätte fand, wurde am Eingang der Kirche eine kleine Plakette mit der Aufschrift In memory of Anny Ahlers angebracht. Eine weitere Plakette erinnert an gleicher Stelle an den viele Jahre später verstorbenen Sir Merrik Burrell.
Erinnerung an eine große Liebe
Das Gemälde von de László blieb zunächst unvollendet. Ein Photo von den Aufnahmesitzungen zeigt, dass der Maler beim Tod von Anny Ahlers mit seiner Arbeit bereits weit fortgeschritten war. Anny Ahlers sitzt auf einem Sessel an einem zierlichen Tisch, hat die linke Hand an die Wange gelegt und hält in ihrer anderen Hand eine rote Rose. Der Stil des Kleids legt die Vermutung nahe, das es sich um ein Bühnenkostüm aus der Dubarry handeln könnte. Auf dem Gemälde trägt Anny Ahlers an der rechten Hand einen wertvollen Ring mit einem Smaragd, der von Diamanten umgeben ist. Der Ring, ein Geschenk von Sir Merrik, ging nach ihrem Tod in seinen Besitz über. Er hat ihn sein Leben lang aufbewahrt, genauso wie ein Kästchen mit einer roten Locke als Erinnerung an eine große Liebe. Da Philip Alexius de László das Porträt vollenden wollte, erklärte sich Burrells Tochter Dreda bereit, für die abschließenden Sitzungen im Kleid von Anny Ahlers dem Maler als Modell zu dienen. Das fertige Gemälde wurde im Juni 1933 in der Londoner Galerie Knoedler öffentlich gezeigt. Die „Daily Mail“ schrieb über das Bild: „Es gemahnt an die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens“. Danach wurde es auf dem Landsitz von Sir Merrik aufbewahrt und blieb nach seinem Tod in Familienbesitz. Im