Franz Lehár war zweiunddreißig Jahre alt, als 1902 am Theater an der Wien mit "Wiener Frauen" seine erste Operette uraufgeführt wurde. Sie war ein großer Erfolg und die Melodien des ungarischen Komponisten wurden überall in Wien gesungen und gepfiffen.
Zackige Märsche
Geboren wurde er 1870 in Ungarn als Sohn eines Militärkapellmeisters. Nach einem Studium am Konservatorium in Prag führte ihn sein erstes Engagement als Geigenspieler in das Orchester des Opernhauses in Elberfeld, das heutige Wuppertal. In der deutschen Theaterprovinz hielt er es nur wenige Monate aus, wurde kontaktbrüchig und trat in Österreich seinen soldatischen Dienst in einer Militärkapelle unter der Leitung seines Vaters an. 1890 wurde Franz Lehár als jüngster k.u.k. Militärkapellmeister in das ungarische Losoncz versetzt. In dieser Zeit entstanden eigene Märsche, Lieder und Walzer wie Auf hoher See und Es duften die Blüten. Lehár komponierte eine Oper, doch "Kukuska" wurde 1896 in Leipzig ohne Erfolg uraufgeführt. Ihr Schöpfer setzte enttäuscht seine Laufbahn als Militärmusiker fort, die ihn 1901 nach Wien führte. Er übernahm dort die musikalische Leitung des 26. Infanterieregiments ‚Großfürst von Rußland‘ und spielte bei Promenadenkonzerten und in Kaffeehäusern zum Tanz auf.
Auf der Eislaufbahn
Sein Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Bühnenkomponisten seiner Zeit gestaltete sich anekdotenreich. Im Winter 1901 drehte die zwölfjährige Felicitas, Tochter des bekannten Wiener Operettenlibrettisten Victor Léon, der mit dem Text zum Opernball von Heuberger erfolgreich gewesen war, ihre Pirouetten zur Musik von Franz Lehár und seiner Militärkapelle auf einer Eislaufbahn im Wiener Stadtpark. Besonderen Gefallen fand der Backfisch am Marsch Jetzt geht’s los! und Felicitas lag ihrem Vater in den Ohren, für den begabten Musiker einen Operettentext zu schreiben. Victor Léon erinnerte sich 1930 in einer Festschrift zu Lehárs 60. Geburtstag an den aufgeregten Bericht seiner Tochter: „Ich sag dir, Papa, der Marsch...also der ist einfach gottvoll, himmlisch, totschick! Ich sag dir, die Leute sind verrückt auf den...In allen deinen Operetten ist nicht ein Marsch, der so, sagen wir, comme il faut wäre, wie der. Komm doch einmal auf den Eislaufplatz und hör ihn dir an!“ Aber Victor Léon hatte keine Lust, sich Schlittschuhe anzuschnallen und so verhallte der Wunsch seiner Tochter zunächst unerhört. Inzwischen hatte Lehár neben seiner Tätigkeit als Militärkapellmeister damit begonnen, in Wien seine Karriere als Bühnenkomponist voranzutreiben. Bescheiden fing er mit drei Vorspielen zu der dramatischen Bearbeitung Fräulein Leutnant von Arthur Kohlhepp an, eine historische Begebenheit aus „Österreichs Ruhmestagen“. Danach schrieb Lehár ein einziges Duett für das Libretto "Die Kubanerin", brach die Arbeit ab und erwarb stattdessen die Rechte an dem Operettentext Die Spionin, dessen Vertonung er ebenfalls nicht beendete, wenn auch jeweils eine Nummer aus beiden Fragmenten in die Partitur zu "Wiener Frauen" übernommen wurde.
Bunte Revuen
Sein Debüt auf den Brettern, die die Welt bedeuten, geschah dann unter denkwürdigenwürdigen Umständen. Am
Gold und Silber
1901 hatte Franz Lehár für den temperamentvollen Paulinen-Walzer bei einem Wiener Faschingsball allerdings Sonderbeifall erhalten, und die Widmungsträgerin Fürstin Pauline Metternich erteilte ihm den Auftrag für einen weiteren Walzer. "Gold und Silber" wurde zu Lehárs erster Komposition, die ihn über den Status des hoffnungsvollen Talents hinaushob. Dadurch erinnerte sich Victor Léon an das Idol seiner Tochter und bot ihm das Libretto zur Operette "Der Rastelbinder" an, das von Lehár sogleich vertont wurde. Doch leider zeigte sich zunächst kein Theater bereit, das Werk aufzuführen. Inzwischen hatte Wilhelm Karczag 1902 die Direktion des Theaters an der Wien übernommen und war für die Uraufführungsstätte der Fledermaus auf der Suche nach Novitäten. Nachdem Lehár im Februar 1902 bei einer Wohltätigkeitsmatinee im Theater an der Wien aus Anlass der Goldenen Hochzeit von Rainer und Marie von Österreich mit seiner Militärkapelle mitgewirkt hatte, wurde Lehár von Karczag als Kapellmeister und Hauskomponist an das Theater an der Wien engagiert. Allerdings musste Lehár sich verpflichten, in seiner ersten Operette eine Partie für Alexander Girardi zu schreiben, der damals größte Star am Wiener Operettenhimmel. Er hatte in zahllosen Uraufführungen wie "Der Vogelhändler" und "Der Bettelstudent" mitgewirkt und wiederholte zu Beginn der Karczag-Ära am Theater an der Wien als Zsupan in "Der Zigeunerbaron" einen seiner allergrößten Erfolge.
Der Schlüssel zum Paradies
Das Libretto zu Lehárs Operettenerstling "Wiener Frauen" dichteten die Volks- und Bühnenschriftsteller Ottokar Tann-Bergler und Emil Norini nach dem französischen Schwank Der Schlüssel zum Paradies. Nachdem die Proben zur Uraufführung begonnen hatten, kam es zu einer Auseinandersetzung. Lehár hatte dem Musiklehrer Johann Nechledil eine zündende Nummer zugedacht, der so genannte Nechledil-Marsch, der sich bereits in der Ouvertüre musikalisch ankündigt. Gleich bei den ersten Proben erkannte Girardi als Willibald Brandl die Wirkung dieser Komposition und reklamierte sie für sich. Der junge Darsteller des Nechledil, Oskar Sachs, war froh, überhaupt in diesem illustren Ensemble mitzuwirken, das noch Lisa Abarbanell als Claire und Karl Meister als Philippe aufbot, und verzichtete auf seinen Anspruch. Lehár stimmte zu und schrieb 1930 rückblickend über Alexander Girardi und seine Interpretation des Nechlidil-Marsches: „Es war auf einer Probe, als Girardi ihn so hinreißend vortrug, dass ich – heute darf ich es sagen – zu Tränen gerührt war.“
Eingängige Walzer
Bereits wenige Wochen nach der Uraufführung am
Erfolg in Amerika
Lehárs nachfolgende Operette "Der Göttergatte", eine freie Adaption des Amphitryon-Stoffs, kam 1904 am Carl-Theater heraus, ohne sonderlich zu gefallen, und auch die Aufnahme der Operette Die Juxheirat im Theater an der Wien im selben Jahr brachte Lehár eine Enttäuschung, trotz der erneuten Mitwirkung von Alexander Girardi. Und schließlich folgte der erste große Triumph seiner Karriere. Am